Reise durch Wirklichkeiten

Dienstag, 4. Januar 2022

Valerie (39)

Oder vielmehr, er blieb mit seiner Ratlosigkeit zurück, diese Hohepriester der Wissenschaft bestaunend, die von der Wichtigkeit ihrer Aussagen so überzeugt waren, dass man nicht einmal mehr über sie lachen durfte. Denn ansonsten war man Chaot, Spinner, Psychopath, religiöser Spinner oder allenfalls vorwissenschaftlicher Gossensprechler. Hatte er Valerie etwas geben können? Sie war sicher darin geübt, Glück zu spielen, Stimmungen darzustellen, sich entsprechend zu verstellen, - sie zu verstehen oder darüber zu spekulieren wäre für ihn normalerweise unmöglich gewesen. Was konnte man ihr überhaupt geben? Wollte er ihr seine Melancholie, seine Zweifel schenken, seinen Körper, seine Haut, die austauschbar waren, ein Stück Materie, zu dem vielleicht nur er selbst eine Art Beziehung haben konnte, seinen Körper, den er zuletzt so oft missachtet hatte, den er verletzt hatte, ohne es überhaupt zu merken, es gebührend zur Kenntnis zu nehmen, ihn mit Giften aller Art fütterte und es ihm anschließend überließ, damit zurecht zu kommen. Dieser Körper, der sich auf vielerlei Arten dafür rächte, wobei seine zeitweilige Fressgier noch eine eher harmlose Art der Heimzahlung war. Eines Tages würde ihm sein Körper einen endgültigen Strich durch die Rechnung machen: Der Gedanke an den Tod löste in ihm ein Gefühl der Zärtlichkeit aus, seinem Körper insgesamt gegenüber, - aber skurrilerweise auch dem dem Kopf am entferntesten Körperteil gegenüber, seinem Zehen. Er war genauso Teil von ihm wie beispielsweise seine Nase. Manchmal dachte er, man solle die Körperpartien rehabilitieren gegenüber jener Kultur, die sich zwischen Kopf und Unterleib abspielte. (

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