Reise durch Wirklichkeiten

Mittwoch, 18. November 2020

Nostalgie

Heute will ich ein bisschen über Nostalgie schreiben, will Material dazu sammeln. Es heißt, Nostalgie schaffe Sinn, dort wo womöglich keiner ist. Uns fallen dazu vielleicht bestimmte Momente ein, im Alltag vergangener Zeiten, aber auch auf Reisen und jene Augenblicke, in denen uns Menschen näher kamen. Besonders geeignet scheinen auch Gerüche, optische Eindrücke und akustische Momente zu sein. Es umspielt Nostalgie offenbar das griechische Wort „Nostos“, das so etwas bedeutet wie „Heimweh“ und „Sehnsucht nach Heimat“. Es schaffe eine Art Gemeinsamkeit, so heißt es, indem man feststelle, wie sehr man gemeinsam bestimmte Zeiten geteilt habe, in denen mutmaßlich alles besser gewesen sei. Was daraus resultiert, kann bei jeder Ü-50-Party erlebt werden. Heute steigert Nostalgie mit solchen Tricks ganz allgemein das Wohlbefinden und bedeutet oft genug ein gemeinsames Schwelgen in Erinnerungen, ist insofern auch ein Teil eines öffentlich grassierenden Hedonismus. Sie ist offenbar auch ein Mittel gegen Einsamkeit und legt etwas nahe, was einer Entfremdung zuwider läuft. Ob Nostalgie vielleicht sogar grundsätzlich etwas mit anderen Menschen zu tun hat? Mit dem Sozialen? Man solle unbedingt im Hier und Jetzt, in der Gegenwart leben, so heißt eines unserer heutigen Gebote. Dabei könnte doch der Moment, dem unsere Sehnsucht gilt, auch in der Vergangenheit liegen. Durch all solche Faktoren mag Nostalgie durchaus etwas mit der Suche nach Identität zu tun haben. Auch eine Beobachtung: Autofirmen geben bestimmte Gefährte heraus, die im Retro-Design auf bestimmten Modellen der Vergangenheit basieren und mit der Assoziation daran spielen. So etwas scheint eine spezielle Form der Beständigkeit zu versprechen.  
Nostalgie war einmal etwas eher Negatives und wurde früher mit Erscheinungen wie Angst, Schlaf- und Appetitlosigkeit in Zusammenhang gebracht. Leider hat aktuell Nostalgie in der Politik teilweise verheerende Auswirkungen, wie nicht nur eines mächtigen Präsidenten Wahlspruch „Make America great again“ dokumentiert. Viele populistische Strömungen arbeiten mit der Sehnsucht nach Rückkehr ins Geborgene, Wohlgeordnete, mit der gewünschten und versprochenen Rückkehr zu etwas, was aus Vergangenheit bekannt zu sein scheint. Wenn ich in mich gehe, so entdecke ich unter anderem ein Bedürfnis nach Selbstvergewisserung und Integration dessen, was die Zeit in ihrem Laufe einst unbewusst in mich hinein geschaufelt hat.

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