Reise durch Wirklichkeiten

Mittwoch, 12. Februar 2020

Djuna (Text für Djuna Barnes, etwa 1987)


DJUNA

Du sagst, Djuna, und schreibst, Djuna, was man bei Tag nicht denkt
du spielst mit Schatten, malst den Schrecken, formst daraus unser Bild
deine Augen sehen, durchdringen das Dunkel, so viel was sich uns verbirgt
du findest Worte, baust damit Sätze, die Vision der Nacht in uns

rote Lippen, rote Haare
du suchst die Liebe in der Dämmerung des Schlafs
rote Lippen, rote Haare
du suchst die Liebe in einem fremden Land

Du versuchst, Djuna, die Welt einzufangen, schickst sie als Flaschenpost an uns
fällst aus dir, tauchst in die Tiefe, holst die Schätze uns herauf

rote Lippen, rote Haare
du suchst die Liebe in der Dämmerung des Schlafs
rote Lippen, rote Haare
du suchst die Liebe in einem fremden Land

Haus ohne Adresse, Straße keiner Stadt
Kind ohne Namen, spielt Alltagstheater
wir gehen rückwärts, als Schlafwandler
durch tausend Augen seh' ich dich

Ich traf dich im Mai, Djuna, du sagst, du seist längst gestorben
dein Flüstern, Djuna, an unserem Ohr, verhilft einem Baron zu ewigem Leben
ein Fakir der Ängste, eine wahre Lüge, so stellst du dem Doktor die Diagnose
ein Nachtfalter, mit selt'nen Farben, so fliegst du durch unseren Traum

rote Lippen, rote Haare
hinter den Fenstern wartet Lachen auf dich
rote Lippen, rote Haare
hinter den Gesichtern wartet Nacht auf dich

Haus ohne Adresse, Straße keiner Stadt
Kind ohne Namen, spielt Alltagstheater
wir gehen rückwärts, als Schlafwandler
durch tausend Augen seh' ich dich

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen