Reise durch Wirklichkeiten

Mittwoch, 16. Juni 2021

Abendland (Georg Trakl)

Abendland Else Lasker-Schüler in Verehrung 1 Mond, als träte ein Totes Aus blauer Höhle, Und es fallen der Bluten Viele über den Felsenpfad. Silbern weint ein Krankes Am Abendweiher, Auf schwarzem Kahn Hinüberstarben Liebende. Oder es läuten die Schritte Elis′ durch den Hain Den hyazinthenen Wieder verhallend unter Eichen. O des Knaben Gestalt Geformt aus kristallenen Tränen, Nächtigen Schatten. Zackige Blitze erhellen die Schläfe Die immerkühle, Wenn am grünenden Hügel Frühlingsgewitter ertönt. 2 So leise sind die grünen Wälder Unsrer Heimat, Die kristallene Woge Hinsterbend an verfallner Mauer Und wir haben im Schlaf geweint; Wandern mit zögernden Schritten An der dornigen Hecke hin Singende im Abendsommer, In heiliger Ruh Des fern verstrahlenden Weinbergs; Schatten nun im kühlen Schoß Der Nacht, trauernde Adler. So leise schließt ein mondener Strahl Die purpurnen Male der Schwermut. 3 Ihr großen Städte Steinern aufgebaut In der Ebene! So sprachlos folgt Der Heimatlose Mit dunbler Stirne dem Wind, Kahlen Bäumen am Hügel. Ihr weithin dämmernden Ströme! Gewaltig ängstet Schaurige Abendröte Im Sturmgewölk. Ihr sterbenden Völker! Bleiche Woge Zerschellend am Strande der Nacht, Fallende Sterne. Georg Trakl (* 03.02.1887, † 03.11.1914)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen