Reise durch Wirklichkeiten

Sonntag, 13. Juni 2021

Pandemie, Nationalismus, Identität

Wer die Erfahrungen der Pandemie mit wachem Verstand berücksichtigt und wer der Fußballeuropameisterschaft offenen Auges entgegen sieht, der könnte unter anderem vermuten, dass ein gewisser Nationalismus froh inszenierte und sogar offiziell herbei geredete Urständ' feiert. Ob das etwas mit dem Zustand ratloser Unbeweglichkeit, mit der Bräsigkeit und mangelnden Flexibilität eines scheinbar übernationalen Gebildes wie der EU (nicht zu verwechseln mit Europa!) zu tun hat? Die Ratlosikeit dieses Gebildes, so scheint es mir, wurde in einer späteren Phase der Pandemie mit Aktionismus und hektischen PR-Aktivitäten auszugleichen versucht, die gleichwohl tiefgehende Unfähigkeit offenbar werden ließen. Ins Gigantische ausgebaute staatliche Informationsapparate mit riesigen Beraterstäben und willfährigen sozialwissenschaftlich und journalistisch geschulten Herolden schienen sich dabei auf eine gewachsene Medienindustrie und ein Geflecht von sozialen Medien stützen zu können, das wohl völlig neue Methoden der Manipulation und Lenkung öffentlicher Meinung und Emotion hervorgebracht hat. Ob dies auch eine Folge des globalen Turbokapitalismus mit seinen ausschließlich ökonomisch gedeuteten Identitäten ist? Ob dadurch ein Mangel an kollektiver Identität entstand? Ob wir in einer im Zweifel stecken gebliebenen Internationalisierung leiden, die einerseits in einem internationalen Neoliberalismus schwelgt und andererseits einem neuen Nationalismus, einher gehend mit einem „Lokalismus“, frönt? Ob etwa die Fahnenschwenkereien und Hymnennölereien samt dem fortwährend vorgezeigten Medaillenspiegel der bald heran stehenden Olympischen Spiele an dieser Stelle dem von ihr so gerne behaupteten Supranationalismus entgegen stehen? Nationale Identität oder Globale „Governance“ , das scheint hier die Frage. Wie sieht es unter anderem um die Einordnung nationaler deutscher Interessen in ein heilig gesprochenes Europa in Form der EU aus? Wir leben ja wohl, wie zuletzt in der Pandemie mehr als deutlich wurde, in einer Welt souveräner Nationalstaaten. Nicht zuletzt die vielen im Mittelmeer Ertrunkenen und in menschenrechtlich unmöglichen Lagern dahinvegetierenden Menschen sprechen hier ein eindeutige Sprache für die Uneinigkeit des supranationalen Institution EU. Die andere Seite dieser Entwicklung scheint mir die gerade in den letzten Tagen offensichtliche gewordene und ständig zunehmende Konzentration des Kapitals in den Händen weniger Menschen.

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