Reise durch Wirklichkeiten

Mittwoch, 27. Juli 2016

Postheroismus

Postheroismus? Ein Begriff, ein Schlagwort, eine Phrase, ein Platzhalter. Ein Imponiergehabe von hippen Akademikern, speziell Politikwissenschaftlern und Soziologen, die sich auf der Höhe der Zeit fühlen. Nach der Postmoderne und der postindustriellen Produktion scheinen wir nach ihrer Meinung über den Postkommunismus und die Postdemokratie direkt in die postheroische Gesellschaft zu geraten. Wir seien uns zwar grundsätzlich einig, dass sich das Verhältnis der westlichen Gesellschaften zum Helden wandelt. Diese Gesellschaften schaffen das Heroische jedoch nach und nach ab - aus politischen, ökonomischen, kulturellen und psychologischen Gründen. Helden erscheinen, sagt man in der Politikwissenschaft, wo die Gefahr am größten ist. Held ist der Mensch, der das Kind aus den Flammen rettet. Der gegen die ungerechte Herrschaft des Tyrannen aufsteht (gerade jetzt ein "Topos"). Der in der Schlacht die wankende Linie wieder zum Angriff führt. Der in einer Welt der Lüge die Wahrheit verkündet. Der sein Leben für alle gibt. Der durch seinen Märtyrertod zum Vorbild und zur Verpflichtung wird. Symbolische Ordnungen brauchen Helden. Die Nation. Die Religion. Die Idee. Die Revolution. Die Bewegung. Die Fußball-Europameisterschaft lieferte dafür genügend Anschauungsmaterial.
Nicht so einig ist man sich bei der Frage, ob das nun etwas Gutes oder etwas Schlechtes ist. Die postheroischen Gesellschaften wie etwa die in Deutschland sind in der Zukunft wohl kaum fähig, militärischen Bedrohungen zu begegnen. Es heißt, dass es an dieser Stelle einer stärkeren Machtentfaltung bedarf durch ein geeintes supranationales Europa, das eine Strategie entwickelt, wie man mit den neuen asymmetrischen Bedrohungen umgehen könnte.
Wir sind postheroische Gesellschaften, weil wir (beispielsweise ) keinen Überschuss an jungen Leuten haben. Und wir sind postheroische Gesellschaften, weil wir religiös kalte Gesellschaften sind, das heißt, dass Opfer nicht mehr emphatisch denken können. Mitfühlend. Und wenn wir in Kategorien des Opfers denken, dann eher im Modell des „Victim“, also des zum Opfer werdens, - verbunden mit der Frage, wo meine Versicherungspolice ist und welche Ansprüche ich geltend machen kann. Es ist dieser Begriff also im Sinne des Geldes und nicht mehr in dem des Heiligen. Wir sind keine Krieger mehr, sondern Händler. Eine Händlergesellschaft ist diejenige, die ein Risiko eingeht, das nie das eines Leib und Lebens ist. Es gibt wohl Restformen des Opfers, aber die sind eher in der Zivil- als in der Marktgesellschaft angesiedelt. Die Vorstellung, dass du dein Leben geben musst, für welche Idee auch immer, ist eine, die einer Händler- und Marktgesellschaft zutiefst fremd ist. Das heißt aber, dass man sich Gedanken darüber machen muss, dass eine solche Gesellschaft nicht ein wehrloses Objekt anderer Akteure ist, sondern dass sie den Herausforderungen einigermaßen gewachsen ist, denen sie ausgesetzt ist. Diese Herausforderungen kann man benennen: das ist der Zerfall der Ordnung im postimperialen Raum. Die großen Reiche und die kolonialen Kunstgebilde sind zerfallen und zerfallen immer weiter. Was jetzt?  
Gleichzeitig bedeutet es die Unfähigkeit, den Menschen, die aus diesen Räumen flüchten, aufzunehmen, weil das selbst mit einem großen Herzen und viel Leidenschaft nicht bewältigbar ist. Also müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir diese Räume stabilisieren. Wir haben die Vorstellung, dass dafür die ökonomische Macht wichtiger und langfristiger ist als militärische Macht. Deswegen neigen wir dazu, den Gewaltakteuren dieser Regionen ihre Gewaltoption abzukaufen. Wir sagen ihnen: Wenn ihr auf die Gewalt verzichtet, werden wir euch Wirtschaftshilfe dieser oder jener Art geben.... und dann werden wir auch dies und jenes tun. Das ist die erste Option, die postheroische Gesellschaften haben (nämlich günstige Kaufangebote zu machen). Man kann das moralisch beschreiben, indem man sagt, dass das eigentlich eine sehr unehrenhafte Form ist, aber das würde schon wieder etwas aus dem Bereich des Heroischen bedeuten. 

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