Reise durch Wirklichkeiten

Dienstag, 14. April 2015

Hannover 4.0

Die sogenannte "Hannovermesse" rollt wieder. 2015. Industrie rules. Stolz schwillt so manchem hierzulande die Brust. Wir sind Weltmeister! Und jetzt wird alles noch besser. Immer besser. Stichwort: Vernetzung aller Lebensbereiche. Der Herd denkt im Internettakt mit, der Kühlschrank bestellt selbständig im Shop, die solargestützte Heizung gibt sich ganzjährig wohltemperiert, die Läden heben und senken sich wie von Geisterhand bewegt sehr selbständig und schon von unterwegs aus öffnet sich das Garagentor für den, der Arbeit hat und auf diese Weise mit seiner elektronikgetunten großmächtigen E-Limousine die Segnungen der Automatisierung genießen kann. Das Auto fährt wie von Geisterhand gelenkt ja sowieso automatisch. Daneben einen Kaffe trinken ist da kein Problem. Vorbei die Zeit der Assistenzsysteme: jetzt fährt die Karre ganz von selbst. 
Ein paar Sachen fallen mir dazu schon ein, auch wenn ich kein ausgewiesener Ökonom bin, die mir ganz überwiegend ohnehin alles durch ihre idiologische Brille zu sehen scheinen. Freier Markt und sowas alles als Weltanschauung. Ob uns das in die Zukunft führt? Und in welche? Ich versuche nur Eins und Eins zusammen zu zählen und lasse mich gerne korrigieren. Auch von denen, die es wirklich besser zu wissen glauben und dafür allerlei Titel, Preise und akademische Lehrbefähigungen mit sich tragen. Die Experten und Wichtigs. Automatisierung, das bedeutet doch: Willfährige Industrieroboter, die nicht streiken oder sonstwie renitent tun, sondern allenfalls mal ein Funktionsleck haben können, tun währenddessen alle dreckige Arbeit automatisch. Durchgehend: samstags und sonntags ohne Zuschläge. Der bisherige Arbeiter wird nur noch ein Teil des Überwachungspersonals. Schnell mal angelernt, auswechselbar, erpressbar. Ob auf diese Weise ein neues Proletariat der wegrationalisierten und -automatisierten Arbeitskraft entsteht? Automatisierung bedeutet, das die Masse an verfügbarer Arbeit nochmal geringer wird. Der Kuchen, den es aufzuteilen gilt, wird kleiner. Das kann so geschehen, dass immer mehr Arbeiter wegrationalisiert werden und der Unternehmer den Gewinn für sich behält. Oder es wird umgelegt auf die Wochenarbeitszeit, die auf diese Weise (bei vollem Lohnausgleich) kleiner werden muss. Statt 40 wären das beispielsweise 35 Stunden. Es gab vor etlichen Jahren diese Diskussion. Doch sie wurde auch hierzulande zugunsten einer wieder zu erlangenden „Wettbewerbsfähigkeit“ auf Eis gelegt. Als diese (auf Kosten der Lohnstückkosten) wieder erlangt war, war man in der Lage, sämtliche „Mitbewerber“ zu erpressen, indem man sie einfach unterbot, weil man billiger herstellte und, - wie man glaubte, - ohnehin cleverer war. Dies gilt ganz besonders für Europa. Frankreich stinkt inzwischen total ab, Italien auch, während Spanien trotz ein paar wirtschaftlichen Anfangserfolgen eine astronomisch hohe Arbeitslosenrate hat. Kollateralschäden, nichts weiter. Großbritannien reüssiert währenddessen mit neuem Manchesterkapitalismus, der auf der so korrupten wie kranken Macht der Banken beruht. 
Aber Deutschland ist ja ohnehin Weltmeister. Global nahm man in Deutschland gerne die Rolle ein, die einst die USA inne hatten. Alle anderen nicht nur durch gnadenlose Effektivität (Automatisierungen spielen hier ihre Rolle) zu übertrumpfen, sondern auch durch Lohnstückkosten zu unterbieten. Auf diese Weise wurde man Exportweltmeister. Stolz führt jetzt die Industrie vor, wie die (deutschen) Autos selbst fahren können und wie herrlich die Industrieroboter funktionieren, indem sie sich bei Berührung mit dem Menschen selbst abschalten. Indien ist dieses Jahr das Gastland: dort bildet sich eine neue gesellschaftliche Mittelklasse, die dadurch entsteht, dass viele Millionen Menschen hungern oder gleich auf Indiens Straßen verrecken. Ob dies ein Modell ist, dem wir Vorschub geleistet haben? 

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