Reise durch Wirklichkeiten

Donnerstag, 25. Juni 2020

Reisespass für alle?

Nun schon seit Monaten scheint es das Wichtigste überhaupt zu sein, wie es ums Reisen steht, mit dem gebuchten Urlaub. Auf Balkonien? Besondere Umstände? Auf gar keinen Fall! Es sei denn, man ist aus finanziellen Gründen dazu verdammt. In die Normalität übergehen, klaro. Jetzt. In die „Normalität“, nicht in die „Neue Normalität“, wie von der Politik einst ausgerufen. Von ihr war ja anfangs zu hören, es gehe „um Leben und Tod“. Nun ja, jetzt geht es um etwas anderes, auch wenn es auf der Welt insgesamt noch ziemlich schlecht aussieht. Jedenfalls scheint zum gedeihlichen Auskommen jetzt erst mal der wohlverdiente Urlaub zu gehören, wenn‘s geht, sogar auf einem Kreuzfahrtschiff. Ferne Länder, schmucke Ressorts, tolle Hotels, all-inclusive. Tapetenwechsel, möglichst mehrmals im Jahr. Ausbruch. Erholung. Entspannung. Wechsel der Perspektive? Ausbruch aus dem Alltag? Flucht aus der Wirklichkeit? Könnte damit verbunden sein, muss aber nicht. Wichtig ist vielmehr das Fressen und Saufen. Das Konsumieren. Sex, Drogen und die Gemeinschaft im Drogengenuss. 
Wo bleibt denn da der Ausbruch aus der Warenwelt, so wie das berühmte Soziologen einst analysiert hatten? Nun ja, angesichts von Globalisierung, Vermögensreichtum und per Internet erleichtertem Zugang zur Reisebranche könnten da Zweifel erlaubt sein. Die Folgen vor Ort im fernen Traumland scheinen sowieso nicht zu interessieren. Da wäre beispielsweise die zunehmende Wasserknappheit angesichts des gewaltigen Verbrauchs der Touristen. Auch die Plastikmüllberge, die durch das Meer schwimmen, können das Vergnügen von Touristen mindern. Kreuzfahrtschiffe verpesten die Umwelt, das hat sich inzwischen herumgesprochen. Trotzdem: Nichts wie weg! Touristen sind natürlich nicht an allem schuld und das Bildungsbürgertum hatte diesbezüglich Privilegien, deren Zeit wohl so nicht mehr wiederkommen dürfte. Außerdem scheint ja gerade das grün-ökologische Milieu dasjenige zu sein, das am meisten verreist. Trotz Gretas Segeltörn. Es geht wohl auch um die Demokratisierung des Reisens, also das Herabdeklinieren des Tourismus zur Massenware. Selbstverständlich wollen sich Ökos davon abgrenzen und streben dem Exklusiven, Individuellen und Teuren nach, das sich als „Bio“ geriert.

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