Reise durch Wirklichkeiten

Donnerstag, 9. November 2023

Werbung und Entgrenzung

Henri Nannen, der längst verstorbene hochberühmte Journalist und Redaktionsleiter, sagte einst, zu besseren Zeiten der Printzeitungen: „Aufgabe der Redaktionen ist es, den von den Anzeigenredaktionen frei gelassenen Raum zu einem von der Herstellung bestimmten Termin in einer für den Vertrieb geeigneten Weise zu füllen“. Und was verschafft den Raum für die Journaille? Anzeigen? Werbung? Anpreisungen? Der Journalismus scheint, wie er für sich selbst behauptet, etwas mit Inhalten zu tun zu haben. Die Werbung freilich hat inhaltlich allzuoft nichts mit den Produkten zu tun, für die sie Reklame macht, - schon gar nichts mit inhaltlicher Information. Die Bundesrechtsanwaltsverordnung bemerkt dazu, dass Werbung eine „allgemeine Anpreisung ohne sachlichen Inhalt“ sei. Die Versprechen, die sie macht, sind die Mittel eines permanenten Misstrauens, das desillusionierender ist, als es je eine zuvor war. Sie hält von den Dingen, die sie bewirbt, - nichts. Productplacement ist allzu oft ein Eingeständnis, dass niemand die von ihr beworbenen Produkte eigentlich braucht. Sie befördert die grenzenlose Produktion, - oft mit eingebauter Obsoleszenz - der kein Konsum mehr gewachsen ist. Das Endziel ist dann sowohl Leichenhalle also auch Müllhalde des Überflüssigen. Exzess ist das Ziel. Technologische Innovationen, wie etwa die digitale Revolution, forcieren auf der Produzentenseite eine überproduktive Arbeit, gekoppelt mit einer Abnahme der Arbeitsmöglichkeiten, der keine Expansion des Konsums mehr gewachsen ist. Wachstumsgrenzen werden zwar erreicht, doch in erster Linie stößt nicht die Produktion darauf, sondern der Konsum. Die Werbung zaubert für jedes Bedürfnis eine Nachfrage aus dem Hut. Aber um welchen Preis? Was fehlt, ist, dass etwas fehlt. Ein Trick der Werbung, der mir zuletzt oft aufgefallen ist, geht so: Es werden Spots produziert, die scheinbar aus dem Alltag zu kommen scheinen, mit allen Unvollkommenheiten, Versprechern, unbeholfenen Gesten usw. Diese Figuren empfehlen dann ein bestimmtes Produkt, eine bestimmte Marke in diesem unbedarften Alltagsdeutsch, das sich selbst beglaubigt und weit vom Werbedeutsch entfernt zu sein scheint, das ja immer mehr meint, als es sagt. Auch die sogenannten „Offenen Briefe“ gehören in diese Kategorie: reiner Inhalt, zum Nutzen und Frommen einer ganz bestimmten Meinung, hinter der manchmal auch Interessen und spendenfreudige Konzerne stehen. Henri Nannen, the long-dead famous german journalist and editor-in-chief, once said, in the better days of print newspapers: "It is the task of the editors to fill the space left by the advertising editors in a manner suitable for distribution by a date determined by production “. And what creates the space for the journals? Show? Advertising? endorsements? Journalism, as it claims for itself, seems to have something to do with content. Admittedly, the content of advertising all too often has nothing to do with the products for which it is being advertised - and certainly nothing to do with the content of the information. The Federal Lawyers Ordinance notes that advertising is a "general promotion without factual content". The promises she makes are the means of a permanent distrust that is more disillusioning than ever. She thinks nothing of the things she promotes. Product placement is all too often an admission that no one actually needs the products it promotes. It promotes limitless production - often with built-in obsolescence - for which consumption is no longer able to cope. The end goal is then both mortuary and dumping ground for the superfluous. The goal is excess. Technological innovations, such as the digital revolution, force over-productive work on the producer side, coupled with a decrease in job opportunities that no expansion of consumption can cope with. Although growth limits are reached, it is not primarily production that is hitting them, but consumption. Advertising conjures a demand out of a hat for every need. But at what price? What is missing is that something is missing. One advertising trick that I've often noticed lately works like this: Spots are produced that appear to come from everyday life, with all the imperfections, slips of the tongue, awkward gestures, etc. These characters then recommend a specific product, a specific brand in this inexperienced, everyday German that is self-authenticating and seems far removed from advertising German, which always means more than it says. The so-called "open letters" also belong in this category: pure content, for the benefit and from a very specific opinion, behind which sometimes there are also interests and donation-friendly corporations.

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