Journalisten neigen
oft dazu, ihre eigene, noch immer finanziell gut ausgepolsterte Mittelklasse-Weltsicht, absolut zu setzen. Dabei könnten sie in einer digitalen
Welt relativ zuverlässige Mittler zwischen den immer stärker fraktionierten Deutungen sein,
könnten einer schweigenden Mehrheit die Relativität ihrer Weltsicht
deutlicher machen. Sie glauben gerne, sie täten das ohnehin implizit, indem
sie sich immer wieder neu auf verschiedene Perspektiven einlassen.
Doch ist dies ihrer mehr oder weniger ausgeprägten Professionalität
geschuldet. Was gefragt sei, so glauben sie gerne, sei Orientierung
und klare Vorgaben, weniger die Empathie. Überhaupt: Klarheit. In
einer unklaren Welt dies zu liefern, ist natürlich schwierig und
meist nur mit rhetorischen Tricks zu schaffen. Mit Mimikry und einer
gewissen Verstellung, die sich scheinbar einlässt auf die von außen
kommenden Erwartungen (Informiertheit, „Auskennen“, „ernsthafte
Beschäftigung“... usw.). Vorzugeben, man kenne sich (möglichst
überall) aus und sei wegweisender Experte, gehört da zur
Berufsrolle. Inbegriffen ist natürlich, man sei der Stellvertreter der
Ahnungslosen und der breiten Masse, die das Schauspiel von außen zu
betrachten verurteilt ist. Der Spagat gelingt immer weniger, je
unübersichtlicher die Verhältnisse werden.
Anmaßende
Oberflächlichkeit ist das, was oft dabei herauskommt. Mit
„journalistischer Distanz“ wird auch gerne eine gewisse
Gleichgültigkeit anderen Welten gegenüber kaschiert. Absolutiert
wird andererseits wird das eigene Herzensanliegen, aus dem heraus
sehr Subjektives und Beliebiges abgesondert wird und Fakten nahezu beliebig so lange
interpretiert werden, bis sie in die eigene Weltsicht passen. Dies
wird gerne mit einem „Liberalismus“ kaschiert und als
„Qualitätsjournalismus“ verkauft. Dies alles trägt mehr zur
Verwirrung als zur Klarheit bei. Es entsteht ein Biedermeier der
Ahnungslosigkeit, in dem ein unprofessioneller Diletantismus der vergesellschafteten Informationsvermittlung blüht.
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