Ich lese, dass der Paritätische Wohlfahrtsverband in
Gestalt seines Verbandspräsidenten Ulrich Schneider der
Bundesregierung Tricksereien bei der Festlegung der Hartz 4-Sätze
vorgeworfen haben soll. Ich weiß natürlich und kriege das öpfter
mit, dass der Satz nirgendwo hinreicht und die Menschen möglichst
klein macht, - trotz „fordern und fördern“. Es ist natürlich
dies auch eine Folge der gewaltigen Distanz von Lebenswelten. Auf der
einen Seite wohlbestallte Politiker, die sich vom schlecht und
unterbezahlten Fahrdienst von einem Ort zum andern fahren lassen und
eine Aura der Macht um sich verbreiten. Auf der anderen Seite der
kleine Hartz4-Empfänger, der sein Fahrrad sattelt, um unter Mitnahme
von möglichst wenig Gepäck halbwegs schadlos irgendwohin zu kommen
(Regen? Winter? Eis?...). Der Politiker hat ein Heer von Assistenten
und anderen willfährigen Kofferträgern um sich, denen er stets
dominant voraus geht und das ihm jeden Wunsch von den Lippen abliest.
Der „Hartzer“ muss sich um jeden Scheis selbst kümmern und
verbringt einen guten Teil seiner Zeit damit, Sonderangebote
wahrzunehmen oder sonstwie zum günstigsten Angebot in unserer
Angebotsorientierten Gesellschaft zu kommen. Natürlich schaut er
„Unterschichtenfernsehen“, gelegentlich lässt er aber auch eine
Dokumentation nicht aus, die etwas mit seiner Lebenswelt zu tun hat.
Im Grunde sind sie beide Menschen, der Hartzer und der Politiker, doch
ihre Lebens- und Sinnwelt trennt sie ganz entscheidend in Oben und Unten. Dass man auf
diese Bahn einer fiktiven Gleichheit einbiegen kann, weil Konzerne das auf Kosten des Staates
so wollen, kommt den Politikern nur dann in den Sinn, wenn es das
Wahlkampfkonzept erlaubt. Darüber sind auch für Politmanager
Hartzer nur „Kostenfaktoren“, Teil eines brachliegenden
Humankapitals, das man irgendwie halt im Griff behalten will, indem
man es mit tausend Kniffen austrickst.
Das Bundessozialministerium
widersprach jüngst der Darstellung des Verbands und betonte die
Rechtmäßigkeit der Berechnungsgrundlage, die sogar vom
Verfassungsgericht überprüft worden war. Seit
der Neuberechnung 2011 werden die Regelsätze unter Berücksichtigung
von Inflation und Nettolohnentwicklung jedes Jahr angepasst.
Schneider forderte Bundessozialministerin Andrea
Nahles (SPD)
auf, diese Praxis aus der Zeit der Vorgängerregierung zu
korrigieren. "Es ist schon mehr als enttäuschend, dass auch
Frau Nahles diese Tricksereien übernimmt, gehörte sie doch vor
ihrer Berufung zur Arbeitsministerin zu den Hauptkritikerinnen der
Methoden ihrer Vorgängerin", kritisierte Schneider.
Das
von Nahles geführte Sozialministerium verwies
auf Anfrage auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
vergangenen Jahr: Darin hätten die Karlsruher Richter das
Berechnungsmodell bestätigt und dem Gesetzgeber ausdrücklich einen
"Entscheidungsspielraum" bei der Einschätzung des
notwendigen Bedarfs zuerkannt, erklärte eine Ministeriumssprecherin.
Die Vorgaben des Gerichts würden auch bei den künftigen
Bedarfsermittlungen berücksichtigt. Das Bundesverfassungsgericht
hatte im September 2014 die Berechnungsgrundlagen für die Regelsätze
als "derzeit noch" verfassungsgemäß eingestuft. Das
Gericht hatte den Gesetzgeber aber auch aufgefordert, einzelne
Leistungen auch schon vor der anstehenden Neuermittlung des
Regelsatzes anzupassen.
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