Reise durch Wirklichkeiten

Samstag, 29. August 2015

Dieter oder Diter? (2)

Dieter Roth war offenbar ein maßloser Mensch. Alles, wirklich alles geriet ihm zur Kunst, die Sprache, das Zeichnen, das Leben. Er war ein wohl äußerst begnadeter Verballhorner, Performance- und Aktionskünstler, Spassvogel, ein Kunstchamäleon, Sprachzerleger und Kunstverbieger, der seinen Spass am Zerstören und lustvollen Dekonstruieren hatte, um daraus etwas anderes zu schaffen. Zwei Büsten nannte er „P.O.A.A.VFB“ - Portrait of an Artist as Vogelfutterbüste“. Eine hat er aus Vogelfutter, die andere aus Schokolade geformt. Für das „Karnickelköttelkarnickel“ hat er einen Hasen aus Hasenknötteln geknetet. Für Stuttgart hat er Arbeiten wie „Fernsehturm Stuttgart“ (1967) oder „Gartenzwerg“ aus Schokolade gestaltet. Bekannt sind auch seine Gummibandbilder, bei denen Gummibänder über Nagelbretter gespannt sind. 
In Berlin im Museum Hamburger Bahnhof ist seine große "Gartenskulptur" zu sehen, eine teilweise skurrile und sich über eine gewaltige Raum erstreckende Zusammenstellung von Utensilien, Geräten, Aufbauten an die sich unter anderem auch Holz, Draht, Seil, Metall, Baumaterialien, Pflanzen, Videogerät, Monitore, Lebensmittel, Spielzeug und Kleidung heften.  Wichtig für Dieter Roth ist, dass seine Werke von einem großen Publikum bis heute als Zumutung erlebt werden. Es scheint etwas zu sein, das ohne Rücksicht auf Genregrenzen, oder gar Verluste an Tradition und Konvention entstand. Alles wurde von ihm mit Allem spielerisch und provozierend vermixt. So etwa die legendäre „Langstreckensonate“ von 1978, die Roth-Fans schon mal 36 Stunden ihrer Lebenszeit kostet (aber das ist Teil seines musikalischen Bemühens, auf das wir später genauer eingehen). Und: Für seine Frauen war er oft wie ein Diktator, dessen Entwürfe von der Welt sie unbedingt teilen mussten und dessen textilen Entwürfe sie tragen mussten.   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen