Ein Durchgang durch Realitäten aus meiner Sicht - Blog von Ulrich Bauer (Ergänzt ubpage.de)
Reise durch Wirklichkeiten
Mittwoch, 26. Februar 2025
Saitenmagier
Was ich einst über Richard Thompson schrieb, gilt heute noch:
Im Jahr 2005 lud der Buckingham Palace die fünfhundert wichtigsten Exponenten der britischen Musikindustrie zum Empfang. Im Gegensatz zu Berufskollegen wie Eric Clapton, Jeff Beck und Jimmy Page muss Richard Thompson der Queen vorgestellt werden. „Sie sind Folkmusiker und Songschreiber? Schön für Sie“ meint die Königin. „Hoffentlich ist das auch schön für alle anderen“ antwortet da Thompson. Die Anekdote verdeutlicht wichtige Wesenszüge des Musikers: Bescheidenheit. Demut. Skepsis. Humor. Dabei ist er als Songschreiber, Sänger und Gitarrist ein absolutes Erlebnis, ein großer Stilist und außergewöhnlicher Könner. Als Gitarrist hat er schon Akustikgitarre im Quartett zusammen mit Künstlern wie Steve Morse, Al Di Meola und David Lindley gespielt. „Die können ja so genau spielen und sind technisch so unglaublich gut. Ich habe vor ihnen großen Respekt“, sagt er über seine damaligen Mitmusiker. Ihm als Songschreiber haben andere Kollegen bereits zwei „Tribute“-Alben gewidmet, auf denen sie seine Lieder interpretiert haben. Und als Sänger liebt er ohnehin den unaufgeregt erzählerischen Ton, der sich vom grell Prahlerischen des Popgeschäfts schon seit vielen Jahren klar entzieht: „Das, was mich am meisten interessiert, ist ohnehin das Schreiben von Songs“, sagt Thompson dazu. „Mein Gitarrespiel richtet sich vollkommen danach“.
Der 66jährige Musiker war schon Ende der sechziger Jahre Mitglied der britischen Band Fairport Convention, die sich damals aufmachte, britischen Folk und Rock zu vereinen. Er muss nicht nur mit den superschnellen Jigs und Reels, sondern auch mit den entschleunigten Balladen, die er beispielsweise mit der Sängerin Sandy Denny zusammen einspielte, viele Kollegen beeindruckt haben. Das Beste: er hat seinen eigenen Gitarrenstil entwickelt, der sich nicht wie bei Kollegen a la Eric Clapton, Jeff Beck oder Jimmy Page am Blues orientierte, sondern am britischen Folk und der damals auch auf den legendären Alben des Songpoeten Nick Drake zu hören war. Produzent war damals Joe Boyd, der Boss der Plattenfirma Hannbal Records. Ob er sich an ihn erinnert? „Wir treffen uns gelegentlich in London, wenn ich da bin“, sagt Thompson, dessen bisher meistverkauftes Album „Shoot out the Lights“ auch Boyd produziert hat. Dass er stets die richtigen Leute unter Vertrag genommen hat, schildert Thompson als einen der Vorzüge Boyds. Da sei etwa die Incredible String Band, - die freilich heute fast niemand mehr kennt.
Aber da ist sie wieder, diese Bescheidenheit: „Natürlich hat mein Spiel seine Basis nicht im Blues. Meine Wurzeln liegen vielmehr im schottisch-irischen Bereich. Ich verstehe mich auch nicht als einen besonderen Gitarristen. Zum Beispiel bin ich nicht gerade ein begabter Showmann“.Privat hört er gerne Gitarristen aus dem Jazz und schon mal einen Countrygitarristen. Auch Trompeter und Spieler anderer Instrumente hätten ihn beeinflusst, berichtet er von seinen Vorlieben.
Heutzutage, da er sich längst weiter entwickelt und auf seinen mehr als 40 Alben viele hoch gelobte Musiker um sich versammelt hat, klingt sein Stil auf der E-Gitarre immer noch sehr eigenständig und originell, so, als würde er um jeden Ton kämpfen und ihn sich abgerungen haben. Das ist auch auf seinem neuesten Album zu hören, das Jeff Tweedy produziert hat, der Kopf der amerikanischen Band Wilco. Die Aufnahmen dauerten nicht lange, die Basis war in ein paar Tagen aufgenommen. „Oh, er war sehr freundlich und es waren dort in Chicago sehr ersprießliche Aufnahmen, zu denen er viele gute Ideen beitrug“ sagt Thompson darüber. „In Tweedys Studio an der Wand hingen übrigens enorm viele Gitarren und im Studio standen noch vielmehr andere Instrumente oder Verstärker herum. Es war dies geradezu ein Paradies für Musiker“.
Wieso er immer diesen typischen Stratocaster-Sound der einspuligen Tonabnehmer gespielt hat? „Meine heutige Gitarre ist ja in vielfacher Weise umgebaut und meinen Bedürfnissen angepasst. Aber dieser Sound ist es einfach, der mir ganz und gar entspricht“, sagt der Musikus völlig unprätentiös und kurz, als würde sich keinerlei erzählenswertes Geheimnis dahinter verbergen.
Ob er das neulich war, der da im Video des Sängers und Songschreibers Cat Stevens im Hintergrund zu hören war? „Ja, klar“ bekennt er sich dazu und hat auch kein Problem damit, sich als Muslim erkennen zu geben. „Oh, die Leute in den USA, wo ich inzwischen lebe, haben da großen Respekt“. Thompson-Kenner wissen, dass er schon 1975 auf dem Cover der Platte „Pour down silver“ mit einem Turban zu sehen war, aber dass er inzwischen nicht viel Aufhebens um seinen Glauben macht. Dass er in langen Jahren keinen einzigen Pophit zustande gebracht hat, bekümmert ihn recht wenig. „Kommerzieller Erfolg im Popgeschäft hat nicht unbedingt mit der Qualität der Musik zu tun, die du machst. Etwas möglichst gut hinzukriegen, bedeutet da viel mehr Erfolg für mich“. Auch dass es dafür auf Musikstreaming-Dienste wie etwa Spotify nicht gerade Reichtümer abzuschöpfen gibt, macht ihm wenig Sorgen. „Als ich auf meine Abrechnung sah, sind mir die Tränen gekommen“ macht er sich lustig über diese Situation, die er für Musiker insgesamt aber nicht unbedingt lächerlich findet. Dass er gerne mit ihm vertrauten Musikern zusammenspielt, dass er zusammen mit seiner einstigen Ehefrau Linda, aktuell auch mit seinem Sohn Ted gut harmoniert hat, ist ihm sehr bewusst. Jetzt tritt er zusammen mit Taras Podmuk am Bass und mit Michael Jerome am Schlagzeug auf, die ihn auch auf den beiden bisher letzten Alben begleitet haben.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen