Reise durch Wirklichkeiten

Samstag, 1. Juni 2019

Blick um mich herum

Man überprüft angesichts eines Artikels, der einen beeindruckt hat, sein Umweltbewusstsein: während alle andern einen auffordern, endlich auch als Individuum und Einzelner etwas Wirksames zu tun, geht mir immer noch das Wort und der altmodische Begriff der „Strukturen“ im Kopf herum. Nein, das ist nicht nur eine Ausrede!! Ich glaube, dass ich viel tun kann, um mein persönliches Gewissen zu beruhigen (was ja löblich ist und immerhin eine Art „Haltung“ erzeugt). Allein, es mag im Ganzen wenig nützen, wenn die Strukturen die falschen sind. Da mag ich noch so hingebungsvoll den Müll trennen: wenn unter Umständen anschließend wieder vieles zusammengeschüttet wird, wenn das, was effektiv wiederverwendet wird, erschreckend wenig angesichts des Ganzen, dann liegt das wohl an Strukturen, die nicht verändert werden. Nicht am Einzelnen, der sich ein scheinbar reines Gewissen damit erworben hat, dass sich in der Realität nichts verändert hat. Man laviert sich durch, versucht, sich korrekt zu verhalten, macht sich aber keine Illusionen darüber, was dies bewirken könnte. Die Frau Umwelt- oder Landwirtschaftsminister führt keine Lebensmittelampel ein und führt alle Gründe auf, die sie als „wissenschaftlich“ bezeichnet, wobei es vielen so scheint, dass sie sich eigentlich nur im Interesse der einschlägigen Industrie äußert und handelt. Effekt: keine Lebensmittelampel. 
Die Grenzwerte für Umweltverschmutzung eben mal ein bisschen hochsetzen, könnte vieles bewirken, ein bisschen schummeln oder zumindest ein Auge zudrücken, wenn Schummelsoftware im Rahmen des ach sogelobten technischen Fortschritts eingesetzt wird - so jedenfalls argumentieren viele Politiker. Das scheinen sie von Donald Trump gelernt zu haben. Es gibt für einen wie mich keinen religiösen Glauben an das Wahre und Gute, das womöglich in meinem reinen Gewissen angesichts von Umweltproblemen liegt. Was mir bleibt, ist die Skepsis. Die Meere werden mit Plastik zugemüllt, Lebensmittel werden massenhaft in die Tonne getreten, der tropische Regenwald wird abgeholzt, Bienen und viele andere Arten sterben aus: so will‘s der Mensch offenbar. So wird es geschehen. Mir ist dabei allerdings verständlich, dass sich eine junge Generation angesichts dessen in Panik befindet. Ob‘s mit dem Lenken noch rechtzeitig klappt? Noch kurz umsteuern und die Welt retten, ehe alles gegen die Wand fährt? Den Älteren wie mir mag‘s noch reichen. Wir schaffen das. Rührend, wie manche Leute in meiner Umgebung solchen Trends gegensteuern. Indem sie bestimmte Produkte nicht mehr kaufen. Nun ja, Leute wie ich sind froh, wenn sie sich überhaupt noch etwas kaufen können. Und teure Bio-Ware ist für sie einfach nicht erschwinglich. Ob daraus etwas zu ersehen ist? Ob irgendein System dahinter steckt, wie man früher immer meinte. Oder ob man damit sofort einer Verschwörungstheorie auf den Leim geht? Ob man lieber etwas über den „freien Markt“ und seine Gesetzmäßigkeiten erkennen sollte? Industrialisierte Landwirtschaft? Ob wir das neu denken sollten und es weniger verteufeln? Ob da nicht angesichts steigender Bevölkerungszahlen nicht eine Art Zwang besteht? Und überhaupt: ist dieser Planet für so viele Menschen geschaffen? Was hat es damit auf sich, dass Kinder und das Kriegen/Machen von Kindern vergöttert werden? Lauter kleine Rentenzahler? Ob das wirklich das treibende Argument ist? Ob es nicht in Wirklichkeit ein Argument ist, das eines Staates geziemt, aber weniger dem einzelnen Menschen? Ob wir wirklich dazu berechtigt sind, anderen Gesellschaften diejenigen Menschen mit Geld weg zu nehmen, die wir zu brauchen glauben? Ob das eine Form des Neokolonialismus ist? „Braindrain“ nannte man früher so etwas. Im Weltbild einer reichen Gesellschaft wie der bundesdeutschen erscheint so etwas „normal“. Ob es aber so ist? Ob es nicht vielmehr eine Frage der Normen ist? Ich stehe vis-a-vis und staune. Ich habe mich kurz aufgeregt und bin stolz darauf, dass ich es erkenne. Es ist für mich ein Teil dessen, zu wissen, wo und wie ich lebe und nicht der Bewusstlosigkeit und ihrer Ablenkungsindustrie verfallen zu sein.

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