Reise durch Wirklichkeiten

Samstag, 1. August 2020

Neoliberales Gedankengut

Die Reichen reicher machen, damit alle profitieren, so ein neoliberaler Glaubenssatz. Solche neoliberale Vorstellungen schwebten offenbar auch hierzulande noch unlängst im Raum und wurden oft gehört, als immer wieder die Forderung erhoben wurde, die Spitzensteuersätze zu senken. Dass solchermaßen gesenkte Steuern die soziale Schere weiter öffnen könnten, scheint in einer solchen Weltsicht weitgehend egal, da nach solchen Auffassungen auf diese Weise ein konjunktureller Aufschwung herbei geführt werden könne, der allen gleichermaßen zugute käme. Dass solche Vorstellungen immer wieder in eine Art Steuervermeidungspolitik münden, scheint klar. Neoliberale Rezepte sagen: möglichst wenig Staat und möglichst viel private Initiative. Wenn Stärken und Chancen ungleich verteilt sind, bedeutet das die Förderung von Potential. Verteilt man die Steuern der Reichen unter den Armen, sind viele arm, aber niemand reich. Das Ziel müsse sein, die Armen reicher zu machen, nicht umgekehrt, so ein mittlerweile zu oft gehörter Glaubenssatz der Neoliberalen. Das Vermögen der Reichen würde nach ihrer Sicht allen zugute kommen, indem unter anderem mehr Arbeit geschaffen würde. 
Leider ist nicht nur dieser Effekt kaum eingetreten, sondern die soziale Polarisierung hat sich weiter verstärkt. Die Realität spricht da halt eine andere Sprache. Und: wer behauptet, Steuern seien von vornherein schlecht, fordert zum Einzelkampf auf und erteilt auf diese Weise der Gesellschaft eine Absage. Steuern haben niedrig zu sein, so lautet das Mantra der Superreichen. Die „Panama Papers“, die "Paradise Papers" und ähnliche momentane Blicke hinter solche Strategien scheinen genau dies im Sinne der Reichen zu bestätigen. Hier werden Steueroasen im großen Stil genutzt, um persönlich davon zu profitieren. In der Öffentlichkeit oft ausgegebenes Ziel ist es, solchermaßen erworbener Reichtum zu karitativen Zwecken zu nutzen, weil man selbst so viel effektiver agieren könne als der Staat. Das Wesen eines Sozialstaats aber könnte sein, gerade nicht vom Wohlwollen Einzelner abhängig zu sein, sondern ein Recht auf soziale Wohlfahrt einklagen zu können. Ein Recht. 

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