Ein Durchgang durch Realitäten aus meiner Sicht - Blog von Ulrich Bauer (Ergänzt ubpage.de)
Donnerstag, 26. September 2024
Pop und Ort
Es stand meine Verwunderung auf meiner Site ubpage.de zu Ende des Jahres 2017: „Es war Liverpool. Es war oft genug auch Manchester. London weniger: in dieser Stadt strömte alles zusammen, dort wurden die von außen kommenden Einflüsse nur geformt und vermarktet. Weiter zurück in der Vergangenheit war es auch einmal Kansas City, das zu einem gewissen Zeitpunkt musikalische Genies hervorbrachte und einen bestimmten Sound hatte (Miles Davis, Charlie Parker). Später nicht mehr. Merkwürdig. New Orleans. Chicago. Memphis. Auch San Francisco, Ende der sechziger Jahre. Die Liberalität dieser Stadt, Flower Power, Hippies und der Zeitgeist spielte dabei seine Rolle. Die Motorstadt Detroit mit ihrer Plattenfirma Motown, die als Fabrik unzähliger Nummer-Eins-Hits „schwarze“ Musik in die weißen Hitparaden brachte und den Rassenunruhen ein Ventil des Aggressionsabbaus verschaffte: Steve Wonder, Marvin Gaye, die Supremes, die Temptations, - später gab es dort auch noch ein kurzes Aufblühen des Techno. Dann der weiße Eminem, der den „schwarzen“ HipHop für seine Zwecke okkupierte und am Himmel des Showgeschäfts erst zu einem Superstar und dann zu einer Supernova wurde, um sodann in all seiner gereimten Wortgewandtheit zu verglühen. Detroit klingt schwarz. New York, dieser Mythos der weltoffenen Megalopole ist dagegen zeitlos, „City, that never sleeps“. Aus der Zeit gefallen. Eine Stadt der urbanen Avantgarde, die künftige Lebensverhältnisse auf ihre Weise künstlerisch voraus ahnt. Als fruchtbarer Humus für jegliche Kreativität, - so das Klischee. Ob Pop oder Jazz: Jede Stadt hatte ihren eigenen Sound, so scheint es. Soziokulturelle Gegebenheiten waren dafür auch verantwortlich, gewiss. Die typischen und vom Klischee her bekannten farbigen Baumwollpflücker am Mississippi-Delta mit ihrem Blues und ein frecher junger Elvis von nebenan, ein kecker Lastwagenfahrer, der ihnen den Sound stiehlt, weil das am nächsten liegt, als ein Vehikel für seine Fahrt zu den Sternen, direkt hinein in den amerikanischen Himmel. Es war vielleicht auch die Trostlosigkeit grauer englischer Industriestädte, ihre festgefügte Klassenstruktur, die nur wenige Wege für ein Entkommen offen ließ. Die Popmusik ist solch ein Weg. Darin ist sie längst zum mythenumglänzten Versprechen geworden. Oft hat sie ein dunkler Drang zum Ausdruck gespeist, der verwurzelt ist im Kollektiven einer gewachsenen Umwelt. Dublin, das katholische, das der mystischen Suche eines Van Morrison in den Siebzigern oder den gebrochenen Heilsbotschaften Band U2 in den Achtzigern einen Rahmen bot: wie religiös befrachtet klang das alles, wie tiefsinnig im Symbolischen fischend. Seit Irland zu einem prosperierenden EU-Mitglied geworden ist, kommt von Irland nicht mehr viel Neues. Zufall? (Aus "Zuhören", s.124)
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