Reise durch Wirklichkeiten

Sonntag, 21. Juli 2024

Zeile um Zeile

Wie überrascht war ich damals, als ich lernen musste, dass es im erweiterten Kulturjournalismus meist nicht darum geht, sich kurz, klar und präzise auszudrücken, sondern dass die hierarchisch abgestufte Zeilenschinderei und ausführliche Selbstdarstellung als probates Mittel gilt, - falls nicht ohnehin sich aus dem Layout ergebende Zeilenvorgaben die Länge eines Artikels bestimmen. Dem zeitschindenden und selbstgefälligen Blabla, der eitlen Schwurbelei war also Tür und Tor geöffnet. Auch das ist etwas, was die breiten Massen heute womöglich von diesen eitlen „Journalisten“ abhält. Die Qualität eines Journalisten klassischen Zuschnitts wurde leider allzu oft nach seinem „Output“ bemessen, d.h. einer ausführlichen und mit Füllwörtern gespickten Schwafelei (was auf ungerechtfertigten Zeitverbrauch hinaus läuft…) und des versteckten sowie offenen Hinweises auf die eigene Wichtigkeit. Fremdworte waren zunächst einmal verbannt, gegen am Bearbeitungsgebiet orientierte Anglizismen oder locker verwendete Computersprache sprach allerdings nichts. Die einfließenden Erkenntnisse der Wissenschaft bedeuteten schon damals, dass es hauptsächlich darum gehe, die Aufmerksamkeit jedes Lesers in einem bestimmten Sinne zu (be)nutzen. Dies führte unter anderem dazu, dass gewisse Hierarchen endlos lange Artikel und Sprachpirouetten fabrizierten, um in alter bräsiger Bildungsbürgerlichkeit und selbstgewisser (Be)Deutungsgewissheit zu demonstrieren, wie gut man doch mit Sprache umgehen könne und wie unendlich wichtig man selbst in jeglicher Beurteilung sei. Das oberflächliche und mit "Keywords" gespickte Streifen von Inhalten war dabei meist wichtiger als das Verstehen. In anschließenden Konferenzen lobte man sich zu oft in voraus eilend beredter Unterwürfigkeit dann gegenseitig dafür, trug ein paar pro-forma-Kontroversen aus und übte sich in einer Buckelei den Hierarchie-Wichtigs gegenüber. Man pflegte ja auf diese Weise unter anderem jenes „Networking“, das für Journalisten gerade in Zeiten der Personaleinsparung, des Facharbeitermangels und des Papiermangels so wichtig erscheint. Auch schien der Aufbau von Barrieren rund um die eigene Wahrnehmungsblase und Verstehenskaste, um die internen und gesellschaftlich heraus gehobenen „Versteher“ kein wichtiges Element. Manchen „Journalisten“ scheint das ganz erheblich geschadet zu haben. Sie fielen schließlich trotz eines ausgewiesenen und mit großzügigen Abfindungen ausgestatteten Status den „Rationalisierungen“ (d.h. Personaleinsparungen von Verlagen) zum Opfer, mochten sie noch so große, intellektuell überwältigende und bedeutungsschwangere Artikel abgesondert haben. x x How surprised was I when I had to learn that expanded cultural journalism is usually not about expressing oneself briefly, clearly and precisely, but rather that hierarchically graded line-pushing and detailed self-portrayal are considered an effective means - if that is not the case anyway The line specifications resulting from the layout determine the length of an article. So the door was open to time-wasting and self-satisfied blah blah, to vain swearing. This is also something that may be keeping the broad masses away from these vain “journalists” today. Unfortunately, the quality of a journalist of the classic type was all too often measured by his “output”, i.e. a detailed rambling filled with filler words (which amounts to an unjustified consumption of time...) and the hidden and open reference to one's own importance. Foreign words were initially banned, but there was nothing against Anglicisms oriented to the area of work or loosely used computer language. Even back then, the incoming scientific findings meant that the main thing was to use the attention of each reader in a certain sense. This led, among other things, to certain hierarchs producing endlessly long articles and linguistic pirouettes in order to demonstrate, with the old brash educated middle-classness and self-assuredness of meaning, how well one can use language and how infinitely important oneself is in any assessment. The superficial strip of content peppered with “keywords” was usually more important than understanding. In subsequent conferences, people all too often praised each other for it with eloquent submissiveness, had a few pro forma controversies and indulged in humping the hierarchy. In this way, among other things, one cultivated the “networking” that seems so important for journalists, especially in times of staff cuts, a shortage of skilled workers and a shortage of paper. The construction of barriers around one's own perception bubble and understanding caste, around the internal and socially prominent “understanders” also did not seem to be an important element. This seems to have caused considerable harm to some “journalists”. Despite a proven status, they ultimately fell victim to “rationalization” (i.e. staff cuts by publishers), no matter how large, intellectually overwhelming and meaningful articles they published.

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